Sie sollten es uns wert sein

ILE Donau-Isar informiert über den Wert regionaler Lebensmittel

12.08.2021

Sie sind unendlich wertvoll, aber noch viel zu wenig wertgeschätzt. Auf ihrer zweiten Lebensmitteltour „Vom Acker auf den Tisch“ haben Vertreterinnen und Vertreter der sechs Mitgliedsgemeinden der ILE Donau-Isar den Blick auf Lebensmittel aus der Region gelenkt. „In Qualität, Vielfalt und Ökobilanz können wir uns mit allen bestens messen“, sagte ILE Sprecherin Jutta Staudinger. Sie ist Bürgermeisterin der Gemeinde Stephansposching.

Um das zu verdeutlichen hatte Dr. Wolfgang Fruhmann, der die ILE betreut drei Stationen und drei Aspekte der Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung vorbereitet.

Als Marktplatz spielt die Stadt Deggendorf eine wichtige Rolle. Auf dem Wochenmarkt bieten etwa 24 Anbieter eine große Auswahl von Lebensmitteln an, jeden Samstag lockt der Bauernmarkt mit etwa 12 Ständen Kundinnen und Kunden zum Wochenendeinkauf in die Stadt. „Märkte sind ein Grund in die Stadt zu fahren“, sagte Andreas Höhn, Wirtschaftsförderer der Stadt Deggendorf. Nicht nur Einheimische sondern auch Touristen schätzen den Erlebniswert des Marktes als Treffpunkt, zum sozialen und kulturellen Austausch. Derzeit arbeitet die Stadt Deggendorf an einem digitalen Schaufenster für die Märkte, in dem sie die Anbieter vorstellt und Kunden die Möglichkeit haben, sich zu informieren und Waren vorzubestellen.

Ein analoges, ganz real betretbares Schaufenster hat Deggendorf für kleinere Produzenten bereits geschaffen. Wer sich keinen eigenen Laden leisten kann oder zu wenig produziert, um einen eigenen Marktstand zu beschicken, kann seine Waren in der Touristinfo im alten Rathaus anbieten. Touristen schauen hier nach hochwertigen Mitbringseln aus der Region, Einheimische nehmen sich Honig, Saft, Likör, Gewürzsalz, Alpaka-Seife oder einen Deggendorfer Knödel mit, wenn sie beispielsweise eine Konzertkarte kaufen. „Wir haben eine Top-Adresse und wir haben Top-Partner“, sagte Höhn. Einen Teil der Produkte lässt die Stadt unter eigenem Label herstellen, beispielsweise machen Mitarbeiter der Stadtgärtnerei Apfel-Birnensaft aus Obst der Obstbäume in der Stadt. Anderes verkauft sie auf Kommission. Das werde sehr gut angenommen, meinte Sophia Kainz, Leiterin der Touristinfo. Von Juli 2020 bis Juni 2021 habe sie mit den Produkten einen Umsatz von 20 000 Euro gemacht. Und das trotz Corona. Bald soll ein mobiler Verkaufsstand und Pop-up-Geschäfte kleinen, regionalen Anbietern noch mehr Möglichkeiten bieten, ihre Waren zu präsentieren.

Im Wasserschutzgebiet rund um Moos produzieren die Landwirte nicht nur Getreide und Zuckerrüben, sondern auch das Lebensmittel Nr. 1: Sauberes Trinkwasser. Begeistert hat Hermann Gruber, Werkleiter von Waldwasser auf der zweiten Station der Tour das Projekt Waldwasserbrot vorgestellt. „Hier passen Landwirtschaft und Wasserversorger hervorragend zusammen“, sagte er. Es sei eine Konstellation, in der es nur Gewinner gebe: Die Landwirte sind mit Herzblut dabei - das ist selten in Wasserschutzgebieten. Bäcker Michael Betzinger bringt seine Handwerkskunst ein und bäckt ein Brot, dass viel Wertschätzung erfährt. Hermann Gruber kann hervorragendes Wasser mit kaum Nitrat und ohne Pflanzenschutzmittel aus dem obersten Grundwasserstockwerk (Quartär) an die Waldwassergemeinden verteilen.

Bis es so weit war, haben Viele gut und engagiert zusammengearbeitet: Das Büro von Wolfgang Hutterer hat die Verordnung für das 1200 Hektar große Wasserschutzgebiet so angepasst, dass Landwirte, die auf das Wasser aufpassen, belohnt werden. Alois Dorfmeister, Wasserberater am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Deggendorf-Straubing hat viel mit Landwirten telefoniert. Er hat sechs Bauern davon überzeugen können, mitzumachen. Sie verzichten beim Anbau von Getreide auf die dritte Gabe von Stickstoff und bauen Zwischenfrüchte an, die über den Winter stehen bleiben. Michael Betzinger, Bäckermeister aus Aholming hat sich auf das Experiment eingelassen, aus Getreide, mit einem geringeren Eiweißgehalt Brot zu backen. Die größte Herausforderung war es, eine Mühle zu finden, die den Waldwasserweizen und -roggen separat vermahlt.

Er komme sehr gut mit dem Getreide zurecht, erzählte Betzinger an der dritten Station der Fahrt, im Schloss Aholming. Er arbeite handwerklich und könne sich gut auf die Wünsche des Mehls und des Sauerteigs auf ihrem Weg zu einem guten Brot einstellen. Er brauche auch keine Zusatzstoffe, um aus drei Zutaten – Mehl, Wasser und Salz – ein Brot zu backen. Weil es 16 Stunden ruhen könne, während der Sauerteig das Mehl für die Menschen schon einmal vorverdaue, sei es sehr bekömmlich. Handwerklich gut gemacht und gute Qualität, das ist auch Metzgermeisterin Beate Müller von der Metzgerei Bichlmeier wichtig. Sie gab einen kurzen Einblick, welche Sorgen die Metzgermeister plagen: Es gibt immer weniger kleine Bauern, die auch wenige Tiere an kleine Metzgereien verkaufen. Kaum ein junger Mensch will heute noch Metzger werden. In Deutschland sind nur wenig Menschen bereit, gutes Geld für gute Lebensmittel auszugeben. Sie fand es gut, dass die ILE ein Bewusstsein dafür schafft, dass Lebensmittel, die in der Region handwerklich hergestellt werden, ihren Preis wert seien. Für die Verbraucher und für die Region.

Die beiden Städte Deggendorf und Plattling, haben sich mit den Gemeinden Moos, Aholming, Otzing und Stephansposching zur integrierten ländlichen Entwicklung (ILE) Donau-Isar zusammengeschlossen. Eines der großen ILE-Themen ist es, zu zeigen, wie Städte und landwirtschaftlich geprägte Dörfer voneinander profitieren: Kurze Wege, Nachhaltigkeit, soziale Aspekte bei Erzeugung und Vermarktung regional und handwerklich erzeugter Lebensmittel. Der nächste Schritt, Erzeuger und Verbraucher näher zu vernetzen, wird die Regio-App sein. Mit einem Tipp auf das Handy soll man sehen, wer in der Nähe beispielsweise Kartoffeln, Spargel, Erdbeeren oder Eier anbietet.

Hannelore Summer

Die Deggendorfer Touristinfo ist auch ein Schaufenster für regionale Produkte. v.l.: Kurt Kari, Vertreter der VG Otzing, Touristinfoleiterin Sophia Kainz, Bürgermeister Günther Pammer, Deggendorf, Bürgermeisterin Jutta Staudinger, Stephansposching, Bürgermeister Alexander Zacher, Moos, Thomas Reichl, 2. Bgm. Aholming, Dr. Wolfgang Fruhmann, ILE-Umsetzungsbegleiter, Meike Meßmer, ILE-Betreuerin am Amt für ländliche Entwicklung.

Beim Besuch des Waldwasser-Werks in Moos stellten Agraringenieur Wolfgang Hutterer, Dr. Josef Freundorfer und Alois Dorfmeister vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Deggendorf-Straubing (2., 3. und 4. v.l.) das Projekt Waldwasserbrot vor.

Aholming: Regional-und handwerklich erzeugte Lebensmittel sind es wert, mehr wertgeschätzt zu werden, fanden v.r.: Bäckermeister Michael Betzinger, Bürgermeisterin Jutta Staudinger und Metzgermeisterin Beate Müller.