Gute Zutaten, Gefühl und Sachverstand

Bäckermeister Michael Betzinger und Metzgermeisterin Beate Müller stellen Lebensmittel nach alter Handwerkstradition her

12.08.2021

„In Gottes Namen.“ Das habe ihr Vater immer gesagt, als er den Kutter eingeschaltet hat, erzählt Beate Müller. In der weißen Metzgerschürze steht sie in der Metzgerei Bichlmeier vor der Maschine mit einer großen flachen Schüssel. Zur Hälfte ist sie von einer Edelstahlverkleidung verdeckt die das rotierende Sechsfach-Messer und den Motor verbirgt. „In Gottes Namen“ sagt auch Beate Müller und legt den faustgroßen Einschalthebel nach rechts. Mit einem Fauchen beginnt der Motor zu surren, die Schüssel dreht sich. Konzentriert, fast andächtig beobachtet Müller, wie das Hackfleisch in der Schüssel mit jeder Umdrehung feiner geschnitten wird. Das Wurstmachen hat sie von ihrem Vater gelernt. Das sei eine Gefühlssache. Dass ein Produkt entstehe, hinter den sie dahinterstehe, brauche es Gefühl, Erfahrung und Zeit, sagt Müller. Und natürlich gute Zutaten.

„Gefühl, Erfahrung und Zeit“ sagt auch Bäckermeister Michael Betzinger. Und natürlich gutes Mehl, Wasser und Salz- Kristallnatursalz. Mehr braucht er nicht, um Brot zu backen. Auch er ist schon als Kind bei seinem Vater in der Backstube gestanden, hat auswärts das Handwerk gelernt, den Meister gemacht. Nun führt er gemeinsam mit seinem Bruder Martin den Familienbetrieb weiter. „Es gibt keinen ehrlicheren Beruf als den des Bäckers“, findet er. „Wenn ich morgens das Ofentürl aufmache, weiß ich, ob ich gut gearbeitet habe und ob ich mich freuen darf“.

Gegen Mittag steht er mit seinem Mitarbeiter, dem Bäckermeister Josef „Beppo“ Heringlehner an einem langen Tisch. Mit einer Teigkarte sticht Betzinger Stücke vom Brotteig ab, kontrolliert das Gewicht auf einer römischen Schnellwaage und gibt sie weiter an Heringlehner. Mit jeder Hand wirkt er je ein Teigstück rund. „Zamsteßen heißt das in der Fachsprache“, sagt Betzinger. Drei, vier Handbewegungen, fast zärtlich, aber bestimmt. Der Teig soll locker bleiben, aber kompakt. Das kann keine Maschine. Betzinger lässt sich nur von Maschinen helfen, wo es notwendig ist und viel Arbeit erspart, etwa vom Spiralkneter, bei den Kaisersemmeln oder beim Portionieren der Spezialsemmeln. Alles andere machen seine Mitarbeiter und er mit der Hand. Zwei mal pro Woche drehen sie 2000 Brezen. Sieht man genau hin, weiß man wer die Breze gedreht hat. Der Beppo schlingt sie anders herum als sein Chef.

„Ich habe schon in der Metzgerei mitgearbeitet, da habe ich noch nicht auf den Tisch schauen können“, erinnert Beate Müller sich gerne. Die Mutter hat ihr damals aus einer Plastiktischdecke eine Metzgerschürze gemacht. Beim Vater haben die Handgriffe immer leicht und effektiv ausgesehen, es brauchte viel Übung. Jetzt ist Müller Metzgermeisterin, jetzt schauen auch ihre Handgriffe routiniert und leicht aus. Ihr Arbeitstag beginnt morgens um vier Uhr. Mit einem Helfer löst sie die Knochen aus dem Fleisch. Wenn es an einem Stück mit den Knochen in der Kühlkammer abhängt, dann sei die Qualität einfach besser, findet Müller. Wo sie mit dem Messer ansetzen muss, damit sich das Fleisch leicht vom Knochen löst, lernen die Metzger in der Schule, Kraft und Geschicklichkeit kommen mit der täglichen Arbeit.

Am Donnerstag Haupt-Wursttag in der Metzgerei Bichlmeier. Dann zerkleinert Beate Müller Stücke von Rind- und Schweinefleisch zuerst einmal im Fleischwolf. Das gewolfte Fleisch trägt sie in einer Edelstahlschüssel zu Kutter.

Wenn sie Leberkäse macht, lässt Müller den Kutter eine Viertelstunde laufen. Immer wieder gibt sie mit einer kleinen Schaufel etwas Eis in die Masse. Pökelsalz hat sie in einer kleinen Schüssel schon vorbereitet, Gewürze und Kutterhilfsmittel. Das Eis brauche sie, damit das Brät schön kühl bleibt. Wird das Eiweiß zu warm, bindet es nicht mehr. Sollen die Würste recht knackig werden, wie zum Beispiel Wiener oder Knacker, muss Müller mit dem Eis sehr sparsam sein. Das Hilfsmittel Phosphat braucht sie, damit sich das Eiweiß löst. Würde sie das Fleisch verarbeiten, solange es nachdem Schlachten noch körperwarm ist, könnte sie auf das Phosphat verzichten.

Die Rezepte hat Müller von ihrem Vater übernommen. Ihren Kunden schmecken ihre Würste noch immer.

Michael Betzinger hat lange an seinen Brotrezepten getüftelt. Er hatte eine Vorstellung davon, wie das Brot werden soll und die Herstellung immer wieder verfeinert. Die Zutaten, Rühr- und Ruhezeiten, Backzeiten, den Sauerteig. Drei Sauerteige hütet er wie seinen Augapfel: Einen für das Dinkelvollkornbrot, einen Weizensauer für das helle Natursauerteigbrot und den Roggensauerteig für das Waldwasserbrot. „Der Sauerteig ist ein Universaltalent“, sagt Betzinger begeistert. Für den Bäcker ist der Sauerteig Schimmelschutz, Geschmacksträger und Lockerungsmittel. Für die, die das Brot essen schließt der Sauerteig die Nährstoffe auf und macht das Brot leicht verdaulich. Michael Betzinger lässt dem Sauerteig 16 Stunden Zeit, zu reifen. So lange ruht das Brot vor dem Backen in der Kühlung.

Wenn der Spiralkneter in der Backstube den Teig im Edelstahlkessel knetet, ist Betzinger mit Herzblut dabei. Jeder Tag sei anders, sagt er: „Das Wetter ist anders, die Temperatur, der Mensch ist nicht immer gleich gut aufgelegt, das Mehl ist nicht immer gleich aufgelegt, der Sauerteig reagiert nicht immer gleich“. Das fühle er, das sehe er, das höre er. Und weil er handwerklich arbeite, könne er reagieren. Nach ein paar Stunden Teigruhe soll sich der Teig richtig anfühlen: locker, weich und fest. Dann kann ein gutes Brot daraus werden.

Ein Glücksfall für Herrmann Gruber, Werkleiter des Kommunalen Wasserversorgers „Waldwasser“ und Alois Dorfmeister, Wasserberater am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Deggendorf-Straubing. Sie haben nach einer Verwertungsmöglichkeit gesucht für Getreide, das Landwirte im Wasserschutzgebiet Moos anbauen. Sie verzichten auf die dritte Stickstoff-Gabe. Es bleibt weniger Nitrat im Boden zurück, aber das Getreide enthält weniger Eiweiß. Je mehr Eiweiß im Getreide ist, desto besser lässt es sich verbacken, heißt es.

Betzinger hat mit dem Waldwassergetreide experimentiert. Er hat vier verschiedene Brotrezepte für Mehl mit nur zwölf Prozent Protein ausprobiert. Sieger war ein Roggenmischbrot, das Waldwasserbrot.

Betzinger wollte schon immer noch enger mit Landwirten zusammenarbeiten, schauen, wie Sorten und Anbaumethode das Mehl verändern. In den letzten Jahren hat er das Mehl von der Weiss-Mühle in Bruckmühl bei Simbach gekauft. Jetzt organisiert Erwin Drasch vom Raiffeisenlagerhaus Aholming, dass Waldwasserweizen und -roggen in der Weissmühle speziell für Betzinger gemahlen werden, und das Mehl so lange gelagert wird, bis es backreif ist. Regionaler geht es kaum: Getreide aus Obermoos und Kühmoos, in einer Aholminger Backstube verbacken. Ein bisschen stört Betzinger, dass es nach Simbach zur Mühle gefahren muss. Aber alle handwerklichen Mühlen in der näheren Umgebung haben zu gemacht.

Auch Beate Müller setzt auf kurze Wege: Die Schweine kauft sie bei Landwirten in der Umgebung, Robert Santl schlachtet sie in Otzing für sie. „Man muss halt die Auflagen erfüllen“, sagt er. Ein eigener Schlachtraum, ein modernes Betäubungsgerät. Auch er legt wert darauf, dass die Schweine aus der Umgebung kommen, dass er die Bauern kennt, von denen er die Tiere bekommt, weiß, wie sie gefüttert werden.

Beate Müller ist froh, dass es noch Bauern gibt, bei denen sie jede Woche fünf Schweine holen kann. „Es werden immer weniger“, klagt sie. Wo sie die Schweine herbekommt, wenn der letzte kleine Landwirt aufgegeben hat, weiß sie nicht. Rinder bekommt sie von einem Kollegen in Eggenfelden, der Weiderinder schlachten lässt.

Beate Müller hat diese Woche ihre Schweine von einem Landwirt im Gebiet der Stadt Osterhofen geholt. Er hält 40 bis 50 Zuchtsauen und zieht die Ferkel dann auf. Die Schweine bekommen das, was auf seinen Feldern wächst: Gerste, Erbsen, Mais. Nur Soja und Mineralfutter kauft er zu. „Seit vierzig Jahren bekommen wir das gleiche Geld für die Schweine, und alles andere wird teurer“, klagt er. Pro Schwein, dass er verkauft, bleiben ihm vielleicht 15 Euro. Ihn wundert es nicht, dass die Mastbetriebe immer größer werden. Wachse oder weiche. 2024 muss er entscheiden, ob er die Abferkelbuchten umbaut. Das wird er wohl nicht, da geht er in Rente. Seine Töchter werden die Felder wohl weiterhin bewirtschaften, aber Tiere halten? Die viele Arbeit, die Auflagen für fast nichts.

In ihrer Metzgerei am Kutter ist Beate Müller nun zufrieden mit dem Brät: Es ist schön sämig, elastisch und doch fest, die Oberfläche glänzt, so soll es sein. Wenn sie Leberkäse macht, lässt Müller das Magerbrät über Nacht reifen, bevor sie es im Kutter mit gewolftem Speck verrührt. Es sei ein Splin von ihr, meint sie, aber so werde der Leberkäse einfach besser.

Die „braune Ware“, Wiener, Knacker, Lyoner, füllt Müller in Därme und hängt sie in die Räucherkammer. „Es ist eine Herzblutsache. Ich möchte alles selber machen, da kann ich dahinter stehen“, sagt sie. Sie könne den Kunden genau sagen, was in ihrer Wurst ist. Sogar das Buchenholz, das sie unten in die Räucherkammer hineinschiebt und anzündet, hat sie selber gespalten. Nach gut zwei Stunden sind die Würste dann soweit, dass sie ins Brühbad kommen. Oft stehen schon die ersten Kundinnen im Laden und fragen, ob die Wiener schon fertig sind. Manchmal gehen die Wiener aus. Damit können ihre Kunden gut leben, sagt Müller. Dafür wissen sie, dass die Würste immer frisch gemacht werden.

Betzinger ist Anfang August das Waldwassergetreide ausgegangen. Die neue Ernte ist schon gedroschen. Wenn es gemahlen ist, muss das Mehl noch sechs Wochen reifen, bis es sich gut verbacken lässt. Weil die Kundinnen und Kunden das Roggenmischbrot sehr schätzen, bäckt Betzinger es derweil mit vergleichbarem Getreide aus der Region. Es sei ein beliebtes Alltagsbrot, das lange haltbar sei, sagt er. Dafür sorge der hohe Roggenanteil und auch für den säuerlichen und etwas fruchtigen und blumigen Geschmack.

„Ich bin froh, dass wir noch alles da haben“, sagt eine Kundin in der Metzgerei Bichlmeier. In Aholming gibt es noch die Metzgerei und die Bäckerei Betzinger. Beide Betriebe arbeiten handwerklich. Beide sind froh, dass sie gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Beide sagen, es funktioniere und die Kundinnen und Kunden schätzen die Qualität ihrer Produkte. Beide sind mit Herzblut bei der Sache, und schätzen es sehr, dass sie die Zutaten für ihre Produkte von Landwirten in der Umgebung bekommen.

Text und Bilder: Hannelore Summer