Düngeverzicht, Uferrandstreifen und mehr

Was Landwirte aus der Gemeinde Moos für Wasserqualität und Biodiversität tun

20.09.2021

Moos – „Immerhin versiegeln wir keine Böden“ Die Antwort von Kilian Hundsrucker auf die Frage, was die Landwirte für den Naturschutz tun, klingt etwas bitter. Ihn ärgert, dass die Landwirtschaft oft reflexartig und pauschal zur Umweltsau erklärt wird. Kaum jemand kennt die Facetten, kaum jemand weiß, wie einzelne Landwirte konkret arbeiten. Welche Sachzwänge prägen ihre Entscheidungen, welche Freiheiten haben sie, was ist ihnen wichtig? Hundsrucker bewirtschaftet in Nebenerwerb 35 Hektar Grund rund um seinen Hof in Sammern, hauptberuflich arbeitet er bei einem Saatzuchtbetrieb in Irlbach. Er findet, dass die Landwirte für ihre Arbeit mehr Wertschätzung verdienen. Andreas Baier aus Maxmühle möchte die Fruchtbarkeit seiner Böden für die kommende Generation erhalten. Auch er ist Landwirt im Nebenerwerb. Er baut auf 30 Hektar Ackerland Weizen, Zuckerrüben und Mais an. Seit knapp 30 Jahren arbeitet er im Mulchsaatverfahren. Das heißt, er baut nach der Ernte Zwischenfrüchte an, die im Winter abfrieren und eine Mulchschicht bilden. Im Frühjahr sät er Zuckerrüben und Mais den Boden unter den Pflanzenresten. So ist der Boden immer bedeckt. Das steigert den Humusgehalt, macht den Boden tragfähiger und schafft eine schöne Bodenstruktur. Wenn es regnet, schluckt der Boden das Wasser, speichert es und gibt es über eine lange Zeit hinweg wieder an die Pflanzen ab, so wie sie es brauchen.

Waldwassergetreide und Muschelschutz

Die Straße von Kühmoos zum Mooser Ortsteil Niederleiten überquert kurz vor einem Waldstück den Kühmoosgraben. Hier liegen zwei Herzensprojekte von Alois Dorfmeister, Wasserberater am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Deggendorf-Straubing (AELF) eng beieinander:

In diesem Abschnitt des Kühmoosgrabens leben seit mindestens 20 Jahren Bachmuscheln und auf einem Feld wächst ein besonderes Getreide: Waldwasserweizen.

Dorfmeister berät die Landwirte im Bereich Gewässerschutz. Kurz gesagt: Der Boden und all das, was die Pflanzen brauchen, um gut wachsen zu können, soll auf den Feldern bleiben. Es hat im Wasser nichts verloren. Weder im Grundwasser noch in Flüssen, Gräben, Bächen oder Seen.

Oft geben Gesetze die Regeln vor. Seit dem die bayerische Staatsregierung das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ in ein Versöhnungsgesetz gegossen hat, darf auf Gewässerrandstreifen von fünf Metern, gemessen ab der Wasserlinie weder Gartenbau noch Ackerbau betrieben werden. Im Landwirtschaftlichen Fachrecht gilt die Böschungsoberkante als Bezugsgröße. Die Landwirte können sich aussuchen, ob sie sich an der oft sehr gewundene und schwankende Wasserlinie orientieren, oder an der gräderen und steten Geländekante.

Pflicht und Kür

Die Düngeverordnung regelt welche Abstände zum Gewässer die Landwirte bei Düngung und Pflanzenschutz einhalten müssen und wieviel Stickstoff und Phosphat ein Landwirt Düngen darf. Um die EU Flächenprämie zu bekommen, müssen Landwirte, die mehr als 15 Hektar Ackerland bewirtschaften, fünf Prozent der Flächen als ökologische Vorrangfläche ausweisen. Als Greening gelten beispielsweise unbewirtschaftete Randstreifen oder wenn nach der Ernte Zwischenfrüchte die Nährstoffe im Boden halten und Tieren Verstecke und Nahrung bieten.

Förderprogramme belohnen Landwirte, die freiwillig mehr tun. Laut Martina Retzer, die am AELF die Förderanträge bearbeitet, haben in der Gemeinde Moos 21 von 50 Landwirten Förderanträge für Agrarumweltmaßnahmen gestellt. Das Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) fördert Wirtschaftsweisen, die die Gewässer schonen und die Artenvielfalt steigern. Das Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) fördert in ökologisch wertvollen Lebensräumen Wirtschaftsweisen, die Lebensbedingungen für Wildkräuter und Vögel auf Äckern und Wiesen verbessern oder erhalten.

Sechs Landwirte beispielsweise haben ungefähr 15 Hektar Hektar Acker in Grünland verwandelt, ein Landwirt verzichtet auf knapp fünf Hektar Grünland entlang von einem Gewässer auf Pflanzenschutz und Düngung. Acht Landwirte bekommen eine Förderung für knapp sieben Hektar, weil ihre Gewässerrandstreifen breiter sind, als gesetzlich vorgeschrieben, drei Landwirte haben auf insgesamt drei Hektar Ackerland Blühflächen angelegt.

2021 haben Landwirte 38 Förderanträge für das Vertragsnaturschutzprogramm gestellt.

Ein Bauer lässt eineinhalb Hektar Acker aus Artenschutzgründen brach liegen, 18 Landwirte richten den Zeitpunkt, wann sie rund 55 Hektar Wiesen mähen, nach den Bedürfnissen von Wiesenbrütern wie Brachvögeln oder Kiebitzen oder vom Aussterben bedrohten Wiesenpflanzen. 14 Landwirte verzichten für die Artenvielfalt auf rund 52 Hektar Grünland auf Düngung und Pflanzenschutz.

Kaum Nitrat im Trinkwasser

Im Wasserschutzgebiet, 1200 Hektar rund um die Brunnen des kommunalen Wasserversorgers Waldwasser bei Obermoos und Kühmoos hat Agraringenieur Wolfgang Hutterer eine Schutzgebietsverordnung ausgehandelt, die mehr auf Belohnung setzt, als auf Zwang. Wer im Herbst am wenigsten Reststickstoff in seinem Boden hat, wird belohnt. Die Böden sind in diesem Bereich sehr unterschiedlich – manche haben einen hohem Tonanteil, und lassen kaum Wasser durch, andere haben nur ene dünne Humusschicht auf einer Kiesbrenne – so kann jeder Landwirt individuell reagieren. Hutterer hat den Bauern vermittelt, dass sie nicht nur Zuckerrüben oder Getreide anbauen, sondern auch sauberes Trinkwasser.

„Bei uns passen Landwirtschaft und kommunaler Wasserversorger hervorragend zusammen“, beschreibt Hermann Gruber, Werkleiter der Wasserversorgung Bayerischer Wald, die Ausnahmesituation. 1,7 Milligramm Nitrat in einem Liter Wasser aus dem Brunnen in Moos, polycyclische, aromatische Kohlenwasserstoffe unter der Nachweisgrenze. Der Grenzwert für Nitrat liegt bei 50 mg/Liter. Das Nitratproblem im Grundwasser ist der Preis, denn Verbraucher und Wasserversorger für die Dynamik des Marktes bezahlen: Je höher der Proteingehalt, desto mehr Geld bekommen die Landwirte, wenn sie ihren Weizen im Lagerhaus abliefern. Je eiweißreicher Mehl ist, desto besser, so heißt es, sind seine Backeigenschaften. Das ist besonders bei der industriellen Verarbeitung notwendig. Damit das Getreide viel Eiweiß bildet, muss man viel Stickstoff düngen. Oft bleibt ein großer Teil der letzten Stickstoff-Gabe dann im Boden und sickert über den Winter ins Grundwasser.

Im Wasserschutzgebiet Moos sind einige Landwirte bereit, noch mehr zu tun, als in der Schutzgebietsverordnung steht. Im Mai 2019 Alois hatte Dorfmeister die Idee, ein Waldwasserbrot auf den Markt zu bringen. Zuerst hat Gruber sich nicht vorstellen können, dass das funktioniert: Landwirte düngen Getreide freiwillig weniger, es finden sich eine Mühle, die dieses Getreide individuell vermahlt und ein Bäcker, der aus diesen Getreide ein Brot backt, das Verbraucher gerne kaufen und bezahlen.

Knackpunkt: Proteingehalt

Möglich wurde das Projekt, weil Pflanzenzüchter Kilian Hundsrucker wusste, dass es Weizensorten gibt, die sich auch mit weniger Proteingehalt sehr gut verbacken lassen und weil Dorfmeister in stundenlangen Telefongesprächen sechs Bauern überzeugt hat, es einfach mal auszuprobieren.

Für das Waldwasserbrot düngen die Landwirte maximal 160 Kilogramm Stickstoff pro Hektar, auf die letzte Stickstoffgabe verzichten sie und auch auf bestimmte Pflanzenschutzmittel. Nach der Ernte müssen sie Zwischenfrüchte anzubauen, die bis zum Frühjahr stehen bleiben. Für den Mehraufwand bekommen sie eine Prämie, für Weizen und Roggen einem Preis unabhängig vom Proteingehalt.

Im Raiffeisenlagerhaus Aholming organisiert Erwin Drasch, dass das Getreide separat angenommen, gelagert, in der Weißmühle bei Simbach am Inn vermahlen und an die Bäckerei Betzinger in Aholming geliefert wird. 2020 konnte Betzinger 1,02 Hektar Roggen und 4,29 Hektar Weizen verarbeiten. Das hat nicht ganz gereicht, um die Nachfrage zu befriedigen. Anfang August 2021 gab es kein Waldwasserbrot mehr. Mit der Ernte von 2021 stehen Betzinger Roggen und Weizen von jeweils über 10 Hektar Ackerland im Wasserschutzgebiet zur Verfügung.

Andreas Baier hat fünf Hektar Weizen beigesteuert. Ihn freut es, zu sehen, dass Verbraucher bereit sind, zu honorieren, was sie lautstark fordern. Handwerklich hergestelltes Brot aus Getreide, das von Landwirten angebaut wird, die Verantwortung für die Umwelt und das Grundwasser übernehmen.

Die Natur, in der er wirtschaftet ist Baier wichtig. Es hat ihn gefreut, als Fachleute im Kühmoosgraben die Bachmuscheln gefunden haben. So wie fast alle Anlieger am Kühmoosgraben lässt er einen Randstreifen stehen, damit keine Erde aus dem Acker in den Bach gelangt und die Poren im Kiesboden verstopft, in dem die Muscheln leben. An 93 Prozent der Ufer des Kühmoosgrabens haben wir nun breite Randstreifen, lobt Dorfmeister das Engagement der Landwirte.

Es soll für alle passen

„Die Bachmuschel kann nicht jammern“, findet Baier, deswegen hat er genau hingeschaut, wie sich der Kühmoosgraben entwickelt. Er hat beobachtet, dass die Bedingungen langsam schlechter wurden. Biber verursachen das, was die Landwirte vermeiden. Sie graben Röhren in die Grabenböschung. Die Böschung stürzt ein, das Material aus den Röhren gelangt in das Bachbett. Nur in seinen Feldern hat Baier 14 Kubikmeter Hohlräume aufgefüllt. Biber bauen Dämme im Graben. Weil der Grund kiesig ist, fließt das Wasser nicht über den Damm. Es weicht seitlich aus und überflutet die Felder: Die Felder oberhalb des Damms stehen unter Wasser und unterhalb des Damms fehlt den Bachmuscheln im Graben das Wasser. Nun werden die Biber entlang des Grabens entnommen, das tut auch den Bachmuscheln gut. Landwirtschaft und Naturschutz müssen zusammenarbeiten, findet Baier. Im konstruktiven Dialog könne man für gute Bedingungen sorgen: Für die Natur, die Bachmuscheln, die Biber und die Bauern.

Text und Bilder: Hannelore Summer