Angebot und Nachfrage

Die bayerische Land- und Ernährungswirtschaft ist auf Exporte angewiesen

04.10.2021

Den Preis bestimmen Angebot und Nachfrage. Das ist das Gesetz des Marktes. Internationaler Markt, Weltmarkt – Wie kommen die Feldfrüchte aus dem Landkreis Deggendorf auf Teller, die auf Tischen in aller Welt stehen? Das internationale Thema sollte der sechste und letzte Teil der Serie zum Jahresthema „Vom Acker auf den Tisch“ der ILE Donau-Isar werden. Die Gemeinde Stephansposching hätte sich angeboten, dieses Thema aufzugreifen. Dort gibt es Händler, die Kartoffeln international vermarkten, eine Molkerei im Gewerbegebiet stellt Magermilchpulver her. So wird Milch haltbar und unkompliziert handelbar. Zuckerrüben aus der Gemeinde werden in Plattling verarbeitet, der Schlot mit der Dampffahne aus der Schnitzeltrocknungsanlage beherrscht den Blick nach Süden. Kartoffelmarkt, Milchmarkt, Zuckermarkt aus dem Blickwinkel einer Gemeinde. So war es angedacht, aber nicht angefragt.

Danken

In den anderen ILE-Gemeinden hat die Nachfrage nach Informationen und Eindrücken ein bereitwilliges Angebot erzeugt: In Otzing nahm Bürgermeister Johannes Schmid die Reporterin mit auf den Kartoffelacker zum Düngen. „Wenn Sie das sehen wollen, dann mach ich halt einen Leberkäse, wenn Sie da sind“, sagte Metzgermeisterin Beate Müller aus Aholming. „Kommen Sie morgen um sechs, ich schneide die Kräuter, solange sie noch taunass sind“ hat Marianne Saxinger ins Wallersdorfer Moos eingeladen. Seit nahezu dreißig Jahren verkauft sie Gemüse und Obst mit großer Freude auf dem Bauernmarkt in Deggendorf. An einem regnerisch-schwülen, mückenreichen Nachmittag gaben Alois Dorfmeister, Wasserberater am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Deggendorf Straubing und Landwirt Kilian Hundsrucker bereitwillig Auskunft über Naturschutzprojekte im Wasserschutzgebiet in der Gemeinde Moos. Christian Preis, Biohändler in Plattling strahlte Begeisterung für all das Gute aus, das in unmittelbarer Umgebung in Bio-Qualität angebaut wird. Ihnen und all den vielen, die in der Aufzählung fehlen, sei für ihre Offenheit und ihre Zeit herzlich gedankt.

Schweigen

Nun also Stephansposching und der internationale Aspekt.

Je weiter die Handelswege, desto schweigsamer werden die Akteure. Kein Interesse, keine Zeit, zu viel Arbeit, zu viele Termine, Hinhaltestrategie, geschulte Pressesprecher, Wettbewerbsgründe. Die Nachfrage hat kein akzeptables Angebot erzeugt.

Das Institut für Ernährungswirtschaft und Märkte der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) gibt Hinweise, wie der Markt funktioniert. „Die Bayerische Land- und Ernährungswirtschaft ist in vielen Bereichen auf Exporte angewiesen“ heißt es im Marktbericht 2020. „Die bayerischen Agrarexporte erreichten 2019 rund 9,8 Mrd. €. Das produzierende Ernährungsgewerbe erzielte 2019 mit 6,3 Mrd. € über ein Fünftel (20,1 %) seines Umsatzes (31,3 Mrd. €) auf Auslandsmärkten.“

Laut dem bayerischen statistischen Landesamt wurden im Landkreis Deggendorf im Jahre 2020 von 2.261 Hektar Ackerfläche 119.635 Tonnen Kartoffeln geerntet. Verteilt auf 119.326 Einwohner könnte jeder eine Tonne Kartoffeln essen. Oder andersherum gerechnet: In Deutschland liegt der Pro Kopfverbrauch bei 57,4 Kilogramm pro Jahr. Da würde die Ernte ein Jahr lang für über Zwei Millionen Menschen reichen.

Verarbeiten

Rund ein Drittel der bayerischen Kartoffeln werden zu Stärke verarbeitet, die Hälfte wird gegessen, frisch oder als Pommes frites, Chips oder Knödel. Da zeigt die Statistik zwei große Trends: Seit den 1960er Jahren hat sich der Verbrauch von Speisekartoffeln halbiert. Und die Leute kochen die Kartoffeln weniger selbst, sie essen mehr außer Haus und greifen zu veredelten Produkten wie Pommes frites oder Kloßteig. Der Lockdown hat im Coronajahr 2020 den Markt für Pommes frites zusammenbrechen lassen. Veredelungskartoffeln waren nicht mehr verkäuflich, teilweise wurden sie in Biogasanlagen zur Energieerzeugung verwendet. Der Erzeugerpreis verharrte auf einem Tiefststand von 10 Euro pro 100 Kilogramm. Im Mai 2018 bekamen Erzeuger fast 40 Euro für 100 Kilogramm Speisekartoffeln.

Handeln

Eine wichtige Rolle spielt der Export. Laut LfL gingen bayerische Kartoffeln hauptsächlich nach Italien, Österreich, in die Niederlande und nach Südosteuropa. Da machen den Erzeugern hohe Qualitätsanforderungen vor allem aus Italien zu schaffen. Bayerische Erzeuger können nicht immer mit den Qualitäten Frankreichs konkurrieren, sie erschließen sich neue Märkte im Osten und Südosten Europas.

Das Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage galt auf dem Zuckermarkt lange nicht. Bis 2005 war Zucker für Landwirte und Verarbeiter ein komfortables, stabiles Geschäft. Um die Versorgung der Märkte mit Zucker sicher zu stellen und vor den großen Preisschwankungen des Weltmarktes zu schützen, hat sich die EU 1968 eine Marktordnung gegeben: Feste Quoten und Preise schafften sehr gute Rahmenbedingungen. Bis 2005 bekamen die Landwirte über 45 Euro pro Tonne Zuckerrüben, jetzt nach der Marktöffnung noch 30 Euro.

2006 forderte die Welthandelsorganisation WTO, dass die EU die Marktordnung ändert. Die Quoten sollten abgeschafft werden und der Markt geöffnet. Nun konkurriert der europäische Rübenzucker mit billigem Rohrzucker, vor allem aus Brasilien, Indien und Thailand auf dem Weltmarkt. Einzelne Handelsabkommen regeln Importmengen und Zollzahlungen.

Schwanken

Die Marktpreise schwanken stark. Sie hängen von der Erntemenge ab und von dem Ölpreis. Ist er hoch, lohnt sich die Produktion von Bioethanol aus Zucker, ist er niedrig, bringt der Zucker mehr ein. 2013 kostete eine Tonne Weißzucker auf dem Europäischen Markt über 700 Euro, auf dem Weltmarkt unter 400 Euro, 2007 wurde Zucker weltweit und in der EU für 500 Euro gehandelt, 2019 sanken die Preise auf etwa 300 Euro, Im März 2021 stieg er auf 394 Euro pro Tonne Weißzucker. 400 Euro sollte eine Tonne Zucker schon einbringen, damit die Zuckerfabriken kostendeckend arbeiten können.

„Der Zucker aus Plattling wird überwiegend in der Region vermarktet“, schreibt Südzucker-Pressesprecher Dr. Dominik Risser. Der Export spiele eine untergeordnete Rolle er liege im einstelligen Prozentbereich. Etwas Zucker geht über Großhändler auf den Weltmarkt, etwas geht in die Schweiz, in der EU spielt Italien die größte Rolle. Die Handelspartner schätzen vor allem die die Qualität des Zuckers und den Service.

In Deutschland liegt der rechnerische Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker bei rund 35 Kilogramm pro Jahr. 5,4 Kilo als Haushaltszucker, fast 30 Kilo verarbeitet in Erfrischungsgetränken, Schokolade, Zuckerwaren, Backwaren, Milcherzeugnissen, Fertiggerichten und Speiseeis.

Ein ähnliches Schicksal hat der Milchmarkt hinter sich. Auch er wurde durch Quoten und Interventionspreise stark geschützt. Die Milchbauern und Molkereien sind seit 2015 dem Spiel der Preise je nach Angebot und Nachfrage auseinandersetzen.

Essen und Trinken

Die weltweite Nachfrage nach Milch und Milchprodukten steigt beständig. Auch in Deutschland ist der Pro-Kopf-Verbrauch vom Käse ist seit 1950 von 3,9 Kilo pro Jahr – das waren 75 Gramm pro Woche - auf 25, 1 Kilogramm im Jahr 2020 – fast ein Pfund pro Woche – gestiegen. Politische Rahmenbedingungen, etwa der Importstopp Russlands und Wetterkapriolen, sorgen für Unsicherheit. Und dennoch setzt Bayern auf den Export von Milch und Milchprodukten. Bayerische Molkereien erzeugen dreimal so viel Käse und Magermilchpulver, wie in Bayern verbraucht wird und zwei Drittel mehr Trinkmilch. Das spiegelt sich auch in den Verkaufszahlen der Goldsteigmolkerei wider.

Kunden sind der Lebensmitteleinzelhandel, Großverbraucher und Gastronomie. 35 Prozent der Erzeugnisse gehen in den Export. Man schätze die gute Betreuung durch qualifiziertes Personal, die gute Qualität und das ausgereifte Logistiksystem, sagt Pressesprecherin Siglinde Bräu.

Text und Bild: Hannelore Summer

Der Weg vom Acker auf den Teller führt manche Lebensmittel durch eine Fabrik. In diesem Werk stellt die Goldsteig-Molkerei Magermilchpulver her, im Hintergrund dampft die Zuckerfabrik. (Bild: Hannelore Summer)

Der Weg vom Acker auf den Teller führt manche Lebensmittel durch eine Fabrik. In diesem Werk stellt die Goldsteig-Molkerei Magermilchpulver her, im Hintergrund dampft die Zuckerfabrik. (Bild: Hannelore Summer)