„A guads Zeig“

Direktvermarkter spielen für die Verbraucher aus Deggendorf und Umgebung eine wichtige Rolle

20.09.2021

„Das frühe Aufstehen macht mir nichts aus“, sagt Marianne Saxinger und lacht. Um sechs Uhr hat sie daheim auf ihrem Hof im Wallersdorfer Moos den Anhänger an den Bus angespannt und ist mit dem gut gekühlten Gemüse und den Kräutern losgefahren. Unterwegs hat sie drei junge Mithelfende aufgegabelt. Um halb sieben steht die Mannschaft in Deggendorf auf dem oberen Stadtplatz. Manchmal kündigt sich der Tag strahlend rot orange gelb hinter den dunklen Bayerwaldgipfeln an, manchmal gießt es in Strömen. An diesem Septembersamstag ist es eher ein blasses Bläulich. Frische Kühle streicht über das Pflaster. Der Bauernmarkt beginnt. Konzentriert bauen die „Standlleit“ ihre Stände auf. Theresia Plattner aus Aham bei Pfarrkirchen muss nur die Klappe vom Verkaufswagen ihrer Hofmetzgerei aufklappen. Saxinger hat mehr zu tun: Adrian Schosser, Simon Heigl und Annalena Meier arbeiten mit ihr Hand in Hand: Sie stellen die Verkaufstische auf, routiniert verteilen sie die vielen Kisten mit Obst und Gemüse. Alles hat seinen Platz: Die Kräuter, Obst, Beeren, Tomaten, Gelbe Rüben, Gurken, Melonen, das, was bei Marianne Saxinger und einiges von dem, was bei den Nachbarn wächst. Die Eier müssen noch in Schachteln gepackt werden, Waage und Kasse bereitgestellt. Schon kommen die ersten Kunden. „Die Frische, das Ungespritzte“, sagt einer, das sei es, was er so schätze am Bauernmarkt. „Weil es bio, frisch, so wie gewachsen und besonders schmackhaft ist“, sagt eine schlanke Frau. Sie hat sich gleich sieben Schalen mit Himbeeren gesichert. Mittags wird sie die frischen Beeren auf Pfannkuchen streuen.

„Wo ist denn heute Euer Nachbar?“ Frau Halser kennt sie alle, die auf dem Bauernmarkt verkaufen. Hochzeitsreise? Nein, ein Trauerfall. Einen Teil von dem Gemüse verkauft Saxinger heute für ihn. „Wir sind eine große Familie, wir kennen uns schon lange“, sagt Halser. Die Kunden, die Anbieter, immer geht ein Schwatz, ein Schmarrn, ein Lachen, man erfährt viel Neues. Sie kauft am Samstag, was sie in der Woche braucht, was es je nach Jahreszeit gibt. Damit könne sie gut kochen.

Nach und nach kommen auch die anderen: Der Gerd mit den Wildspezialitäten und dem Brot. Der Alfred mit Geflügel und Eiern. Der Adrian fährt den Bus weg, damit die Andrea Lannen Platz hat für ihre farbenfrohen, freundlichen Blumensträuße und das Gärtnergemüse.

„Für uns sind der Bauernmarkt am Samstag auf dem oberen Stadtplatz und der Wochenmarkt von Montag bis Samstag auf dem Luitpoldplatz enorm wichtig“, sagt Andreas Höhn, Leiter des Stadtmarketing Deggendorf. Die 38 Stände ergänzen das Angebot des einzigen Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfts in der Innenstadt perfekt mit Produkten aus der Region. So werde die Innenstadt zu einem Marktplatz, mit einem einzigartigen, lebendigen Flair. Es schaffe Vertrauen, wenn man mit den Produzenten ins Gespräch komme und nachvollziehen könne, wo die Waren herkommen, wie sie produziert werden.

Der Markttag von Marianne Saxinger beginnt am Freitag bei Sonnenaufgang. „Sie werden nasse Füße bekommen“, sagt sie. Sie selber trägt Gummistiefel, eine Windjacke und gelbe Gummihandschuhe. Energisch schiebt sie einen Handkarren mit drei Gemüsekisten durch einen schmalen Durchschlupf zwischen zwei Wirtschaftsgebäuden bei sich auf dem Hof im Wallersdorfermoos. Sie überquert die taunasse Kuhweide, steigt über einen Weidedraht und steht im Feld mit langen Reihen von Gemüse und Küchenkräutern. Wenn man die Kräuter schneidet, solange sie noch feucht vom Tau sind, sind sie auch am nächsten Tag noch frisch. Das weiß sie aus Erfahrung.

In Reih und Glied stehen die Schnittlauchbuschen, die krause und die glatte Petersilie im dunklen Niedermoorboden. Weiter hinten kommen noch Thymian, Dill und die anderen. Die ersten Buschen sind kurz abgeschnitten, aus der Mitte spitzen kräftig grüne Blätter hervor. In den kommenden Wochen werden sie wieder so weit sein, dass Saxinger sie schneiden kann. Ein dumpfes, trockenes Hrrrt macht es, Saxinger hat mit einem großen Messer einen dicken Bund Petersilie abgeschnitten. Rasch zupft sie die gelben Blätter aus dem Bund, jetzt im Herbst werden es immer mehr. „Die Leute wollen nicht nur gute Qualität, frisch vom Feld, es soll auch gut ausschauen“, sagt sie. Ein kritischer Blick,ein Nicken, dann wickelt sie ein rotes Gummiband dreimal um die Stängel und legt den Bund in die Kiste. Die Kräuter wird sie noch vorsichtig waschen und in die Kühlung stellen. Auch Paprika, Tomaten und Auberginen wird sie schneiden, solange es noch kühl ist, später holt sich dann noch die gelben Rüben aus der Erde und das andere Feldgemüse. Abends um acht sind Auto und Anhänger dann fertig beladen und die Bäuerin legt vor dem Fernseher die Füße hoch

Seit fast 30 Jahren fährt Saxinger fast jeden Samstag nach Deggendorf auf den Bauernmarkt. Es sei 1992 gewesen, da habe jemand gesagt, da sei eine Versammlung die wollen einen Bauernmarkt gründen, erinnert sie sich. Da hatte die Familie den Hof gerade auf „bio“ umgestellt. „Das, was ich anbaue, will ich so, wie es vom Feld kommt, essen können – ungespritzt“, sagt Saxinger. Seitdem lebt die Familie in erster Linie vom Bauernmarkt, ein paar Kunden kommen auf den Hof, hauptsächlich um Fleisch zu kaufen, wenn Tiere aus der Mutterkuhherde geschlachtet worden sind.

Kaum hat Alfred Niedermüller, der Vorsitzende des Bauernmarktvereins seinen Verkaufsanhänger abgestellt, ist schon der erste Kunde da. „Zwanzig bräucht ich“, sagt er. „Wir machen immer ein Haustürgeschäft“, erklärt Niedermüller. Die ersten Eier hat er schon verkauft, bevor er die Klappe von seinem Stand aufgeklappt hat. Andere Kunden warten geduldig, bis sie an der Reihe sind. Er komme früh, dann müsse er nicht so lange anstehen, sagt einer. Niedermüller habe halt einfach die besten Eier, das beste Geflügel. Vertrauenswürdig sei er, findet eine Kundin, nicht so anonym, wie im Supermarkt. „Für mich war es die einzige Möglichkeit, dem höher, weiter, schneller zu entrinnen“, begründet Niedermüller, warum er auf Märkte fährt. Er wollte sich nicht mehr vom Landhandel und den Konzernen den Preis vorgeben lassen. Auf seinem Hof in Simbach bei Landau baut er neun verschiedene Feldfrüchte an für die Legehennen und das Mastgeflügel. Den Hof bewirtschaftet er so naturnah wie möglich, dem Boden und den Tieren soll es medikamenten- und genfrei gut gehen.

Alle zwei Wochen bäckt Waltraud Nothaft eine Ladung Kuchen für den Bauernmarkt. Auch vor ihrem Stand stehen die Leute geduldig in der Schlange. Es sei ein Haufen Arbeit, kein Hobby, sondern schon ein Einkommen. Egal ob Haupt- oder Nebenerwerb, wer seine Sachen auf dem Bauernmarkt verkauft, merkt, dass die Arbeit wertgeschätzt wird. Josef Gütlhuber verkauft, was auf seinen Obstbäumen reift wird. Janette Ortbauer liefert einen Kombi voller Kisten mit Broten an. Sie ist früh um halb eins aufgestanden und hat ungefähr 100 Brote in den Elektroofen geschoben. Sauerteig – es dauert drei Tage, bis die Brote so weit sind, dass sie gebacken werden können. Schon ihre Schwiegermutter hat auf dem Hof in Grafling Brot gebacken und verkauft, damals noch in einem Holzofen. Mit großer Freude verkauft Gerd Jaklin Gebackenes von drei Bäckerinnen auf dem Stand des Wildhofs Gstettenbauer. Die Leute kämen zu ihm, weil es kein gescheites Brot mehr gebe, sagt er. Eigentlich ist er schon in der Rente, nach vierzig Jahren Arbeit in einem Hotel, zuerst als Oberkellner, dann als Küchenchef. Auf dem Markt genieße er, dass er unter die Leute komme. Gerade zu Corona, als die Wirtshäuser zu hatten, habe er den Schwatz mit alten und neuen Freunden besonders genossen.

Für rund 20 Mitglieder des Bauernmarktvereins bedeutet der Samstagvormittag auf dem Bauernmarkt natürlich viel Arbeit, aber auch Lebensunterhalt und Lebensfreude. Manchmal konnte der Bauernmarkt nicht stattfinden, weil die Stadt Deggendorf eine andere Veranstaltung geplant hat. Kunden und Fieranten haben da die Wertschätzung durch die Stadt Deggendorf vermisst. „Für uns ist der Bauernmarkt enorm wichtig“, sagt Andreas Höhn. Als Nahversorger und als Frequenzbringer. Da kommen die Leute in die Stadt, da wurlt es vor Lebendigkeit. Deswegen ist er froh, jetzt eine gute Lösung gefunden zu haben, wenn auf dem oberen Stadtplatz eine Bühne und Stühle für andere Veranstaltungen aufgebaut werden: Die Fieranten können dann am oberen Stadtplatz ihre Stände auf dem Multifunktionsstreifen zwischen der Busspur und dem Fußgängerweg aufbauen.

Text und Bilder: Hannelore Summer