Leidenschaft für die Landwirtschaft – trotz Preisdruck und vielen Vorschriften

Bürgermeister Johannes Schmid aus Otzing bewirtschaftet seinen Hof im Nebenerwerb

21.06.2021

Vier Stufen muss Johannes Schmid hochklettern, bevor er sich auf den Fahrersitz in seinem Bulldog setzen kann. Von weitem wirkt er gar nicht so groß, mit jedem Schritt wird das Arbeitsgerät stattlicher: Schulterhohe Reifen, 180 PS. Für niederbayerische Gäubodenverhältnisse ist Schmid kein großer Bauer, 45 Hektar bewirtschaftet er im Nebenerwerb. Je genauer man hinschaut, desto anspruchsvoller wirkt die Aufgabe, das Land gut und verantwortungsvoll zu bestellen.

27 Einzelflächen wollen bewirtschaftet werden, die Solaranlage stellt keine großen Ansprüche, aber 16 Hektar Winterweizen, 7 ha Wintergerste, 10 ha Körnermais, 5 ha Speisekartoffeln, 4 ha Zwiebeln und 3 ha Buschbohnen wollen gesät, gepflegt, geerntet und vermarktet sein. Der Boden soll seine Qualität behalten und fruchtbar bleiben, das Wetter gibt den Takt vor, die Arbeit soll zu schaffen sein, und sie soll sich rechnen. Ohne Herzblut und Leidenschaft gehe es nicht, heute noch Bauer zu sein, sagt Schmid. Er baut Marktfrüchte an, Früchte, die er vermarkten kann. Einen Teil der Wintergerste hächselt er, bevor sie reif ist. Sie kommt als Ganzpflanzensilage in eine Biogasanlage. Auf dem gleichen Feld wachsen dann noch Buschbohnen für die Mamminger Konservenfabrik. Zwiebeln, Kartoffeln, Mais und Weizen vermarktet er über den Landhandel.

Vorschriften bilden die Leitplanken

Neben den betriebswirtschaftlichen Überlegungen muss Schmid eine Menge Vorschriften beachten:

Möchte er die Flächenförderung der EU bekommen, muss er die Cross Compliance Vorschriften einhalten. Mindestanforderungen an Lebensmittelischerheit, Tierschutz, Bodenschutz, Umweltschutz, etwa eine Fruchtfolge oder Randstreifen an Gewässern oder ökologische Vorrangflächen, Dokumentation. Die Flächenprämie ist ein wichtiger Bestandteil des Einkommens.

Die Düngeverordnung verlangt, dass er berechnet und dokumentiert, mit wieviel Stickstoff und Phosphat er seine Pflanzen versorgt. Schließlich sollen die Nährstoffe dafür sorgen, dass die Pflanzen gut wachsen und nicht das Grundwasser verunreinigen.

Beim Pflanzenschutz gibt es strenge Regeln. Auch wenn es fast keine Mittel mehr mit einem Totenkopf als Gefahrenzeichen gibt, müssen die Landwirte sehr verantwortungsbewusst und sorgfältig arbeiten. Einmal in drei Jahren muss Schmid eine Sachkundeschulung besuchen, die Spritze muss zum Spritzentüv, wie er die Mittel aufbewahrt und ausbringt ist genau vorgeschrieben.

Pflanzenschutzmittel sind teuer

Eigentlich wollte Schmid an dem Pressetermin die Kartoffeln gegen Pilze behandeln, aber das Wetter war anders, als erwartet. Es hat weniger geregnet in den letzten Tagen, das Kraut ist noch licht, der Wind hält es trocken. Die Gefahr, dass das Kraut faulen könnte, ist noch sehr gering. „Pilze auf Kartoffeln oder Zwiebeln kann man nur vorbeugend behandeln, wenn das Kraut erst einmal befallen ist, dann hilft kein Mittel mehr“, erklärt Schmid. Aber die Mittel sind teuer, da überlegt er genau, wann und ob er überhaupt spritzen muss. Derzeit sind die Kartoffeln noch gesund, Regen ist nicht in Sicht.

Er wisse, sagt Schmid, dass Pflanzenschutz ein umstrittenes Thema ist. Wenn er seine Kulturen spritze, dann könne es schon sein, dass Radfahrer oder Spaziergänger das T-Shirt oder die Jacke vor den Mund ziehen – Atemschutz. Aber wenn er sehe, wie viel Max und Kilian Apfelbeck, die Demeterbauern in Kleinweichs, arbeiten müssen, um die Felder sauber zu halten, dann könne er sich nicht vorstellen, dass „Bio“ Standard werde in Bayern. Es sei einfach zu aufwändig. Er ist sich nicht sicher, ob genügend Verbraucher bereit sind, diese Mehrarbeit zu bezahlen. Der Preisdruck ist enorm, in anderen Ländern werde billiger produziert.

Generell werde chemischer Pflanzenschutz immer schwieriger: Die giftigen Mittel, die stark wirken, verlieren ihre Zulassung. Was zugelassen ist, wirkt immer schlechter. Glyphosat verwende er nicht mehr, sagt Schmid, weil es zu viele Unkräuter zu gut vertragen. Sie sterben zwar oberflächlich ab, treiben dann aber wieder aus. Jetzt muss er halt öfter über die Stoppeln fahren. Aber je öfter man im Frühjahr über den Acker fahre, desto mehr leide der Boden.

Unabhängig vom Umweltgedanken: Die Mittel kosten einfach zu viel Geld, um sie gedankenlos einzusetzen. Aber sie erhalten auch die Qualität der Lebensmittel. Wer einmal eine faule Kartoffel im Lager hatte, wisse, dass er nichts versäumen dürfe.

Moderne Technik ist hilfreich, aber teuer

In der Gerätehalle von Johannes Schmid stehen zwei hellgrüne Schlepper neben dem Mähdrescher und einem Geräteträger. An einem hat er die Feldspritze montiert, an dem anderen den Düngerstreuer. Düngen und Pflanzenschutz, das sind die Arbeiten, die Mitte Juni anfallen.

Die Pflanzenschutzspritze lässt Schmid stehen, er klettert auf den Schlepper mit dem Düngerstreuer.

Der Düngerstreuer hat eine Wiegevorrichtung, ein Computer steuert, dass die Kartoffeln genauso viel Dünger bekommen, wie sie brauchen. 220 Kg Patentkali pro Hektar.

Neuwertige Schlepper, Geräte mit modernster Technik. „Landwirte zahlen halt nicht gerne Steuern“, meint Schmid. Manchmal seien die Preise auf dem Markt schlecht, dann verdiene man kaum etwas mit seiner Arbeit. Manchmal seien sie gut, dann müsse man viele Steuern zahlen. Oder man hält seinen Gerätepark auf dem neusten Stand, auch wenn man dann Privatgeld, die Ersparnisse der Familie in den Betrieb stecken müsse. Die Preisspanne ist enorm. 40 Euro für eine Dezitonne Zwiebeln sind ein Spitzenpreis, wenn es weniger als neun Euro gibt, lohnt sich der Anbau nicht.

Schmid steuert geschickt aus der Halle auf die Straße. Vor der Motorhaube des Schleppers wird die Straße schmal, die Autos, die entgegenkommen klein. „Alles Routine“ sagt Schmid, man gewöhne sich daran. Die Geräte werden größer, die Technik vielfältiger. Wenn er Getreide sät, lässt er das GPS-Gerät steuern, dann werden die Reihen schön gerade. Mit Informationen von Satelliten berechnet das GPS Gerät genau wo es ist, die Technik ist teuer, aber hilfreich. Die Feldspritze schaltet am Feldrand automatisch ab, oder wo sich die Reihen überlappen, wenn das Feld nicht rechteckig ist.

Von der Straße geht es nach links auf einen Feldweg. Aufmerksam betrachtet der Landwirt die Felder der Berufskollegen. Links wachsen Frühkartoffeln. „Da sind die Reihen schon geschlossen“, sagt Schmid. Das Kraut bildet ein dichtes Dach über dem Boden, gute Bedingungen für Pilze. Rechts ein Zwiebelfeld. „Die Zwiebeln sind heuer eine Katastrophe“, erzählt Schmid. Letztes Jahr sei es im Frühjahr so trocken gewesen, dass die Landwirte die Felder beregnen mussten, dass die Samen überhaupt aufgegangen sind. Heuer haben sie tiefer gesät, dass die Samen sicher Anschluss an die Bodenfeuchte hatten. Dann kam der nasse und kalte April und der viele Regen im Mai.

50 Prozent Feldaufgang sei da schon gut, bei ihm ist nur jeder dritte Samen aufgegangen. Wenn die Zwiebel zu viel Platz haben, werden sie sehr groß. Da wird es schwierig mit der Vermarktung.

Das Wetter spielt eine große Rolle, und die Zeit.

Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit

„Nichts bleibt stehen auf dieser Welt und automatisch ändert man sich da mit“, sagt Schmid. Sein Vater habe den Hof noch im Vollerwerb bewirtschaftet: 1973 hat der mit den Kühen aufgehört, 1976 mit den Bullen, 1988 mit den Schweinen. Dann hat er nur noch Zuckerrüben, Weizen und Kartoffeln angebaut.

Seit 1961 verarbeitet die Zuckerfabrik in Plattling Zuckerrüben. Lange hat die Zuckerrübe die Bauernfamilien ernährt. Ab 2017 hat die EU die Marktordnung geändert. Nun bestimmt der Weltmarkt die Preise. Zu viel Zucker auf dem Markt lies die Preise sinken, 2019 hat Schmid sein Lieferrecht erst einmal verpachtet. Für die Rübe sieht er momentan keine gute Zeit und die Blattkrankheit Cercospora sei rund um die Zuckerfabrik ein riesiges Problem. Dazu mache die Trockenheit den Rüben auf schlechten Böden zu schaffen. „Mit der Wintergerste komme ich genauso weit“, sagt Schmid. Und die mache wesentlich weniger Arbeit. Und Wintergerste sei eine gute Vorfrucht.

Schmid hat schon immer auf dem Hof mitgearbeitet und auch Interesse für die Landwirtschaft gehabt. Aber er hat zunächst Elektroinstallateur gelernt und dann zwei Jahre die Technikerschule, Fachrichtung Datenverarbeitungstechnik besucht.

1999 hatte er am Amt für Landwirtschaft Abendkurse besucht, die Gehilfenprüfung bestanden und den Hof dann übernommen. Halbtags arbeitete er bei einer Firma, die Steuerungstechnik entwickelt, halbtags auf dem Hof. Seit er 2004 zum Bürgermeister von Otzing gewählt wurde, teilt er seine Arbeitszeit zwischen dem Hof und der Gemeinde.

Messlatte Arbeitsaufwand

45 Hektar seien im Nebenerwerb noch gut zu bewirtschaften, meint Schmid. Zwar habe er viele kleine Flächen, 27 einzelne Felder, da sei die Struktur nicht gerade prickelnd. In Otzing hat es noch keine Flurbereinigung gegeben. Was Schmid anbaut, soll nicht zu viel Arbeit machen. Feldgemüse mit Hilfe von Saisonarbeitskräften anzubauen, beispielsweise, kommt für ihn nicht in Frage. Die Zeit hat er einfach nicht.

Schmid arbeitet seit 2004 mit Josef Leeb gut und gerne zusammen. Auch er bewirtschaftet seine Hof im Nebenerwerwb. Sie haben viele Maschinen gemeinsam angeschafft, manchmal tauschen sie Flächen. Beim Kartoffeln legen etwa, und bei der Ansaat vom Weizen helfen sie zusammen. „Das ist eine unwahrscheinliche Erleichterung, sagt er. Wenn einer ackert und der andere ansät, dann bist Du eine Weltmacht“. Da könne ihnen der Regen nichts anhaben.

„Wenn man sich versteht, ist es ein großer Vorteil“, sagt Schmid. Das wäre ein tolles Modell für die Dorfgemeinschaft, vielleicht bräuchten dann nicht so viele Landwirte aufgeben. Aber es sei auch ein schwieriges Modell, die Leute müssen zusammenpassen. Wenn es funktioniere, sei das ein großes Geschenk.

Zusammenarbeiten, Rücksicht nehmen.

„Rücksicht, Einsicht, Nachsicht“. So könne man gut zusammen, sagt Johannes Schmid als Bürgermeister, Landwirt und als Mensch. Und das klappe in 95 Prozent aller Fälle auch. Er sieht ein großes Wohlwollen im Umgang miteinander. Konflikte gebe es vor allem um Dreck auf den Wegen.

Bürgerinnen und Bürger wollen auch auf den Feldwegen spazieren gehen, Berufskollegen ärgern sich, wenn andere Landwirte mit großen Maschinen die Wege ruinieren und nicht wieder herrichten.

Die Grundbesitzer müssen für die Feldwege sorgen, manche Pächter nehmen wenig Rücksicht. Können sie vielleicht auch nicht, wenn beispielsweise schwere Lastwägen im Winter die Zuckerrüben abholen. Als Bürgermeister freut er sich, dass die meisten Landwirte die Wegränder auch an öffentlichen Wegen mähen. Da profitieren beide: Der Landwirt hat saubere Feldränder, die Gemeinde spart sich Arbeit.

16 Vollerwerbs- und 22 Nebenerwerbslandwirte gibt es in der Gemeinde Otzing. Die spielen auch im Dorfleben eine große Rolle. Sie pflegen nicht nur die Kulturlandschaft. Als alteingesessene Familien engagieren sie sich in der Kirche und in den Vereinen. Aber Schmid ist froh, dass sich auch viele der neu zugezogenen Familien einbringen. Beide zusammen gestalten eine lebendige Gemeinde.

Schmid ist bei seinem Kartoffelacker angekommen. Kaum drei Fahrgassen ist das Feld breit. Nun sollen de Kartoffeln ihren Kali - Dünger bekommen. Der Acker liegt zwischen zwei Feldern, in denen auch Kartoffeln wachsen. „Wir haben uns ausgemacht, dass wir die Ränder der Nachbarfelder mitdüngen“, sagt Schmid. So sei gewährleistet, dass auch die Pflanzen am Rand genügend Dünger bekommen. Über ein Display stellt er ein, wie weit der Streuer die Düngerkörner auswirft. Der Computer berechnet dass auf einen Hektar 220 Kilo Patentkali kommen, wenn er mit einer Geschwindigkeit von 9 Kilometern pro Stunde wird er über den Acker fahren. Drei mal fährt Schmid über das Feld, dann ist er fertig. Es habe sich bewährt, dass die Kartoffeln auf die Blätter noch einmal Kalium bekommen, erklärt Schmid. Schwefel müsse er erst als Dünger geben, seit die Abgase entschwefelt werden, früher habe der Regen die Felder mit Schwefel gedüngt.

Später am Computer wird er in die Schlagkartei eintragen, wieviel Patentkali er ausgebracht hat.

Ohne Computer ist die Arbeit eines Landwirts nicht mehr denkbar. „Alles läuft online“, sagt Schmid. Die Hagelversicherung, der Förderantrag für den Agrardiesel. Im Frühjahr bearbeitet er online den Mehrfachantrag für die EU-Förderung. Im integrierten bayerischen Informationssystem (iBALIS) ist jede der 27 Flächen verzeichnet. Die Bodenertragszahl kann er dort ablesen und die Hangneigung. Fünf Prozent seiner Fläche muss er als ökologische Vorrangfläche melden, sonst kann er den Antrag nicht abschicken. Jedem Feld hat er einen Namen gegeben, für jedes Feld hat er eingetragen, was er anbaut.

Ausblick

16 Vollerwerbslandwirte gibt es in der Gemeinde Otzing und 22 bewirtschaften ihren Betrieb im Nebenerwerb. „Tendenziell werden es immer weniger“, meint Schmid. Viele hören auf, wenn die Hofnachfolge ansteht. Dann werden die Flächen verpachtet, meist an auswärtige Großlandwirte. Oft pachten Gemüsebauern oder Gurkenbauern die Flächen für ein Jahr. Gemüse beanspruche den Boden erheblich mehr, als beispielsweise Getreide. Felder, die intensiv bewässert werden und regelmäßig befahren, leiden sehr. Die Entscheidung müsse jeder Verpächter treffen.

Schmid bewirtschaftet 45 Hektar, davon hat er ungefähr die Hälfte dazugepachtet. „Die Lage muss passen und der Preis“, sagt er. Soviel, wie Gemüsebauern bezahlen, kann und will er nicht bezahlen.

Natürlich möchte Schmid mit seiner Arbeit einen Gewinn machen, aber nicht um jeden Preis. Er legt Wert darauf, dass der Boden seine Fruchtbarkeit erhält. Eine weite Fruchtfolge ist wichtig, Zwischengrün und schonende Bearbeitung. Vor allem wenn der Boden feucht ist, sollte man nicht in das Feld fahren.

Aber der Kostendruck sei schon enorm. Ein Vollerwerbsbetrieb hat viel mehr Nebenkosten, Sozialversicherung, Investitionen. Und Gemüsebau habe auch hohes Risiko, nicht nur das Wetter, sondern auch der Markt. Salat beispielsweise muss geerntet und verkauft werden, wenn er soweit ist, egal, ob die Nachfrage groß ist oder klein.

Regionalität als Lösung?

Billige Konkurrenz aus aller Welt diktiert die Marktpreise. Regionale Kreisläufe könnten den Druck ein wenig nehmen. Vielleicht kann eine regionale Markthalle, in die die Landwirte einen Teil ihrer Produktion vermarkten können, eine Lösung, überlegt Schmid. Keine Direktvermarktung, ab Hof, sondern an einen zentralen Ort, wo die Landwirte das, was sie ernten, unter die Leute bringen können. Der eine bringt Zwiebeln, ein anderer Kartoffeln, Blaukraut, Weißkraut und so weiter. Ein vielfältiges Angebot von Bauern aus der Region wäre auch für die Verbraucher attraktiv. Und es könnte das Einkommen etwas stabilisieren. Doch ohne den internationalen Markt geht es nicht. Er alleine könnte mit seiner Kartoffelernte Otzing schon zwei mal versorgen, und er ist kein großer Bauer.

Hannelore Summer